Stellenwert der Philatelie Rumäniens
Das Sammelgebiet „Rumänien“ kann ohne Übertreibung als eines der attraktivsten der ganzen Philatelie, weltweit, bezeichnet werden. Früh schon faszinierten die seltenen Erstausgaben die Sammler, und bereits im 19. Jahrhundert zählten einige davon zu den am meisten gefragten und damit zu den teuersten Briefmarken der Welt.
Im «Lehrbuch der Briefmarkenkunde» des Jahres 1905 hielt Theodor Haas im Kapitel «Die hundert seltensten Marken nach ihrem Seltenheitsgrad geordnet» fest, dass Briefmarken von Rumänien zu den «Top Ten» der Welt gehören; nach Marken von British Guiana, Hawaii und Mauritius wurde die 81 Parale-Marke der Erstausgabe von Rumänien (1858) bereits auf Platz 6 aufgeführt. Erst auf Platz 12 folgte der nächste Europäer.
Das Sammelgebiet lockt schon seit mehr als 150 Jahren die Philatelisten der Welt ganz besonders. Dies hängt aber nicht nur mit seinen grossen Raritäten zusammen, sondern auch mit der sehr abwechslungsreichen Postgeschichte, die vom Auf & Ab der Weltgeschichte entscheidend geprägt wurde.
Grosse Sammler (Kurzversion; vgl. auch Rubrik 3)
Grosse Sammler widmeten sich mit Eifer und vollem Einsatz dem Sammelgebiet «Rumänien» und erreichten so im internationalen Ausstellungswesen höchste Auszeichnungen. Der Sammler und Forscher Eduardo Cohen errang mit seiner Sammlung 1953 den Grand Prix d’Honneur, und 1960 in Barcelona den Grand Prix International.
Mario Tomasini legte 1969 nach mit «Classic Romania» (Ausstellung Sofia). Wieder zehn Jahre später errang Fritz Heimbüchler den Grand Prix d’Honneur mit seiner ersten Sammlung «Romania 1822-72», und konnte sich 1996 mit einer veränderten Sammlung den Grand Prix International sichern. Zwölf Jahre später stand Joseph Hackmey bei der Preisverleihung ganz oben (Efiro 2008, Grand Prix National).
Nicht alle grossen Sammler nahmen an Wettbewerbsausstellungen teil. Grosse Sammler wie Heinrich Birnbach, Alfred Caspary, Maurice Burrus, René Berlingin oder Marcel Kottelat stellten traumhafte, wertvolle Sammlungen zusammen, stellten aber meines Wissens nie im Wettbewerb aus bei grossen internationalen Ausstellungen. Ihre Sammlungen können wir heute zum Teil anhand der Auktions-kataloge bewundern (Birnbach, Caspary, Burrus).
Die Sammlung Kottelat wurde meines Wissens von einem früheren ARGE-Mitglied «en bloc» gekauft.
Im Bereich 3 listen wir Sammler auf, welche sich der Philatlie Rumäniens gewidmet haben (Projekt in Arbeit).
Wichtige Stücke (Kurzversion)
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren es drei einmalige Raritäten, welche die Philatelisten weltweit in höchste Spannung versetzten. Sie galten als wertvollste Stücke, welche die Philatelie weltweit zu bieten hat. Schon 1901 sicherte sich das Reichspostmuseum Berlin den einmaligen Einschreibe-Brief 1857, der mit drei der vier Wertstufen der ersten Briefmarkenausgabe frankiert war und damit den einzigen ganzen Brief mit einer 81-Parale-Marke darstellt.
Meines Erachtens ist der Brief gleich nach dem Mauritius «Bordeaux»-Brief (Buntfrankatur der 1. Ausgabe «Post Office» 1847) und nach dem Hawaii-2 Cent-Brief «Dawson» 1851 (Buntfrankatur der 1. Ausgabe in Mischfrankatur mit zwei Marken der USA) an die dritte Stelle zu setzen der wertvollsten Briefe der Philatelie weltweit! Er hat zum Glück die Wirren des zweiten Weltkrieges überstanden und ist heute im Museum für Kommunikation Berlin ausgestellt.
Eine einmalige Rarität mit extrem seltenen Briefmarken ist die «grosse Zeitung».
Eine Zeitung des Jahres 1858 wurde versandt, die mit nicht weniger als acht Marken der höchst seltenen 5 Parale OHNE gebrochenen Rahmen frankiert ist. Dieses Stück erzielte in der ersten Hälfte des Jahrhunderts einen sehr hohen Preis bei Köhler und kam dann in die Prestige-Sammlungen von Maurice Burrus und Tomasini. 2006 wurde der Brief bei David Feldman in Genf verkauft, mit Live-Schaltung nach Monte Carlo, wo auch der Käufer sass: Joseph Hackmey. Der Zuschlagpreis lag bei Euro 700’000 plus 18.5 % Aufgeld. Die Zeitung war erster Blickfang in den Grand Prix-Ausstellungen 1969 und 2008. Dies ist heute das wertvollste Stück in Privathand.
Ein weiteres Sensationsstück ist das einzigartige Kehrdruck-Paar der 27 Parale-Marke, Michel Nr. 1 K. Es zierte die Ferrary-Sammlung und erzielte bei dem Verkauf der Sammlung 1921 einen Spitzenpreis von 46’000 Französischen Francs (plus Aufgeld), das waren damals mehr als GB£ 1’000, als ein Pfund noch mehr als 20 Schweizer Franken kostete.
Das Kehrdruck-Paar war auf der Liste der teuersten Stücke bei Ferrary (alle Auktionen) immerhin Platz 30. Der grosse Raritäten-Jäger Arthur Hind kaufte das Paar; später ging es in die Sammlung des Königs von Rumänien. Leider verliert sich dann seine Spur, seit 1950 rätselt die Welt über den Verbleib des Stückes. Die Hoffnung, dass das Stück noch in den Restbeständen der ehemals riesigen Sammlung des René Berlingin ruht (er kaufte dem König viele wertvolle Marken ab), ist zwar berechtigt, aber doch klein. Vermutlich hätte die Tochter oder der Schwiegersohn, selbst ein eifriger Sammler, die Marke längst gefunden, sodass wir alle nur hoffen können, dass das Stück nach ca. 71 Jahren wieder einmal auftaucht.
Fotogalerie (Kurzversion)
Es ist aber nicht das Ziel und es liegt nicht in den Möglichkeiten aller Philatelisten teure Ausstellungs-sammlungen zusammen zu stellen. Gleichwohl können wir versuchen, schöne Belege, seltene Stempel, feine Briefmarken zu suchen, zu finden und zu sammeln. Die ARGE möchte diese Bemühungen gerne sichtbar machen.
Es ist unser erklärtes Ziel, auch «kleine» Schönheiten, nicht oder kaum beachtete Raritäten zu schätzen und zu würdigen. Natürlich werden wir unser Augenmerk vor allem auf das Ausser-gewöhnliche richten, doch dieses muss nicht teuer sein! Es steht jedem ARGE-Mitglied frei, uns seine besonderen «Lieblinge» zu zeigen. Im geschlossenen Bereich drei (für Mitglieder) wollen wir versuchen, zu jedem der 35 «Kapitel» besondere Stücke zu zeigen. Auch Aufsätze für unser Rundschreiben «Der Rumäniensammler» und Vorträge an unseren Symposien werden uns freuen. Der kommerzielle Wert der Stücke spielt dabei keine Rolle.
Untenstehend zeige ich Ihnen eine Briefmarke der 12. Ausgabe (der «Ährenausgabe»). Das Exemplar hat einen Katalogwert von lediglich Euro 1.50 (Michel Nr. 105). Der perfekte Stempelabschlag macht die Marke zu einem Schmuckstück.
An dieser Stelle zeigen wir philatelistische Stücke, die wir im Thema „Das Stück des Monats“ bereits besprochen haben. Die neuen Stücke finden wir am Ende dieses Kapitels
Stück des Monats 1/2022:
Brief von 1947 von Belint nach Sibiu, frankiert mit 11’500 Lei, gestempelt „BELINT / 16 MAR 47“, rückseitig Ankunftsstempel „SIBIU“
Der Tarif von 11’500 Lei war damals korrekt. Er setzt sich zusammen aus folgenden Komponenten:
– Brief, andere Orte Inland, Lei 2’500
+ Zuschlag für Einschreiben, Lei 3’000
+ Zuschlag für Express-Zustellung, andere Orte, Lei 6’000
= Summe Lei 11’500
Dies können wir entnehmen: der Tabelle 63 im Werk von Calin Marinescu: „Tarifele, Taxele si gratuitatile postale in Romania 1841-2008; Vol. 1“, Seite 136/137. Der neue Tarif galt erst seit dem 15.3.1947! Vorher kostete derselbe Versand nur 1’200 Lei. Wir haben also nahezu eine Verzehnfachung des Tarifes festzustellen!
Stück 2 – Februar/März 2022 –
Fragen:
Anbei zwei Poststücke, wovon das erste gebraucht, das zweite ungebraucht ist. Das Postwertzeichen ist nicht aufgeklebt (=Briefmarke), sondern auf den Halbkarton aufgedruckt.
- Wie nennen wir diese postalischen Erzeugnisse (Oberbegriff und spezifische Bezeichnung) ?
- Welche Verwendung war für dieses Poststück vorgesehen ?
- Ist das linke Poststück wertlos, weil es keinen Rand mehr hat ?
- Solche Poststücke suchen wir in einem aktuellen Briefmarken-Katalog „Michel“ vergeblich. Wie helfen wir uns weiter ?
Antworten:
- Dies sind zwei Ganzsachen, und zwar, genauer: zwei Kartenbriefe.
- Der Kartenbrief konnte rückseitig beschrieben werden. Danach wurde der Kartenbrief zusammengefaltet und zugeklebt; die Ganzsache hatte einen gummierten Rand. So konnte die Nachricht verschlossen verschickt werden. Der Empfänger öffnete den Kartenbrief durch das Aufreissen entlang des perforierten Randes.
- Bei gebrauchten Kartenbriefen fehlt darum im Normalfall der perforierte Rand, weil er abgerissen wurde. Dies Ganzsache ist deswegen nicht wertlos.
- Ganzsachen wurden wie Briefmarken ursprünglich in denselben Katalogen katalogisiert. Da die Kataloge immer dicker wurden, fingen die Hersteller an, die Ganzsachen in separaten Katalogen zu drucken. Der „Senf“-Katalog vollzog die Trennung (Freimarken/Ganzsachen) 1896. Heute sind die „Michel-Ganzsachen-Kataloge“ für die meisten Sammler massgebend, oder noch spezialisiertere Ganzsachen-Kataloge.
Wichtige Museen und Bibliotheken (Kurzversion)
- Das Museum für Kommunikation Berlin beherbergt heute einige Schätze, die einst im Reichspostmuseum von Berlin angesammelt wurden. Schon Ende des XIX. Jahrhunderts kaufte der Staat emsig Briefmarken ein und zahlte dafür auch stattliche Preise. In den Wirren während und nach dem zweiten Weltkrieg gingen zwar einige Bestände verloren, doch wichtige Teile wurden später wieder gefunden und auch der für uns so wichtige Philatelie-Teil von Rumänien blieb erhalten.
Nicht weniger als fünf der ganz grossen Raritäten der Rumänien-Philatelie sind dort vorhanden. Das Hauptstück allein ist eine Reise wert: der einmalige drei-Farben-Brief der 1. Ausgabe von Bakeu nach Jassy (siehe oben «Wichtige Stücke»).
2. Mindestens so beeindruckend wie die Exponate in Berlin ist auch die Briefmarkenausstellung in der British Library, London, wo heute die Sammlung Tapling untergebracht ist. Thomas K. Tapling hatte Ende des XIX. Jahrhunderts die wohl zweitwichtigste Briefmarkensammlung der Welt, er vermachte sie dem Staat. Jahrelang arbeiteten führende Philatelisten seiner Zeit an der Präsentation der Sammlung, die heute in 1188 Rahmen untergebracht ist. Als führender Philatelist seiner Zeit legte Tapling grossen Wert auf eine umfangreiche, meines Wissens über-komplette Sammlung von Rumänien, mit unzähligen Spitzenstücken. Auch Ganzsachen sind in seiner Sammlung reichlich vertreten. Gleich zwei wichtige Autoren beschrieben die Sammlung ausführlich: Melville und Mackay.
3. Das Museum of Romanian Records, Bukarest, wurde meines Wissens erst im Jahr 2018 eröffnet, aber alle seine Besucher sind zutiefst beeindruckt von der Masse der ausgestellten Objekte. Korkenzieher, Bügeleisen, Bügeleisen-Untersetzer, alte Kameras belegen Hunderte von Quadratmeter Ausstellerfläche. Natürlich interessiert uns aber die philatelistische Sammlung am meisten.
Ungefähr 800 grossformatige Glasrahmen sollen es heute (Ende 2021) gemäss Homepage des Museums schon sein. 2019 besichtigten wir im vierten Stock des Museums mehrere hundert davon. Eine Sammlung, die aber nicht nur durch ihren riesigen Umfang beeindruckt, sondern auch durch ihre Klasse.
Wer kann schon auf einer Seite die 108 Parale-Marke achtmal zeigen: 3 mal ungebraucht, 1 mal auf Brief, 4 mal gestempelt?
Das Stück des Monats
Auf dieser Homepage wollen wir jeden Monat ein neues Stück zeigen, das uns aus einem Grund aufgefallen ist. Vielleicht auch, um ein ungelöstes Rätsel dazu zur Diskussion zu stellen. Wir haben nicht jeden Monat die Gelegenheit, uns zu sehen, ein Rundschreiben zu versenden oder sonstwie miteinander zu kommunizieren. Darum soll nach Möglichkeit 1 x pro Monat ein neues philatelistisches Stück unsere Leser dazu anregen, die Homepage zu besuchen.
Antworten oder Fragen unserer geschätzten Leserschaft zum Stück nehmen wir gerne entgegen (e-mail: glaettli.muttenz@bluewin.ch)
Stück 3 – März 2022 –
Fragen:
- Dieser Brief trägt keine Briefmarke von Rumänien. Warum interessieren sich manche Rumänien-Sammler trotzdem für dieses Stück ?
- Was können wir zur Beförderung dieses Poststückes sagen und wann, ungefähr, wurde dieser Brief befördert ?
- Finden wir diese Briefmarke im Michel-Katalog ? Wo ? Welche Nummer hat die Marke ?
- Welchen Wert hat ein solcher Brief ungefähr ?
Stück 4 – April 2022 –
Ein Freund zeigt uns dieses Stück aus der Sammlung und bittet uns, ihm bei der genauen Beschreibung zu helfen.
Fragen:
- Welche Nummer (nach Michel) hat diese Marke?
- welche Besonderheit fällt uns auf?
- das Wasserzeichen der Marke ist wie unten gezeigt. Wenn wir die aufrecht stehende Marke über die senkrechte Seite drehen, steht das WZ in Position 2 (nach CMPR ’74, Seite 22)
- Was können wir zur Zähnung des Paares sagen?
- Welche genaue Katalogisierung ergibt sich nach CMPR, welche nach Zumstein?
Stück 5 – Mai 2022 –
Fragen:
- Dieser Brief trägt keine Briefmarke. Wurde er dennoch befördert?
- Betrifft dieser Brief überhaupt das Sammelgebiet Rumänien?
- Wo (in welchen Katalogen/Büchern) finden wir Angaben zu dem blauen Stempel oben links?
- Was sagt der Stempel aus? Welche Schriftzeichen können wir erkennen?
Bitte beteiligen Sie sich, auch wenn Sie vielleicht nicht alle Antworten kennen.
Version 10 – hgl 2023-05-20